Öffentlicher Internetbrief an den Oberbürgermeister von Halle, Herrn Dr. B. Wiegand und die Stadtratsfraktionen der Stadt Halle

Der Bürgerverein Stadtgestaltung Halle hat die nachfolgende Auffassung zu den wesentlichen Thesen aus dem 

  

          „ Offenen Brief an Stadtrat und Stadtverwaltung Halle 

              In Sachen „Forderungen zur Verkehrsplanung““

 

verfasst von der Bürgerinitiative Hochstraße Halle an der Saale e.V. vom 21.01.2013: 

  

Niemand besitzt die absolute Wahrheit und kein Modell passt für alle oder alles. Das ist eine alte, aber immer noch aktuelle Weisheit, die auch für die Hochstraße gilt. Das meinen wir zumindest. 

Andererseits gibt es sogar Schnittmengen zwischen den vom BV Stadtgestaltung  Halle und den von der BI Hochstraße vertretenen Auffassungen. Das sollte von allen Seiten positiv bewertet werden. Worin bestehen sie, und welche sind es? 

 

-Es wird ein baldmöglicher Planungsbeginn durch die Stadt für die Aufrechterhaltung der Verbindung über die Saale über die reale Nutzbarkeit der Hochstraße hinaus gefordert. Schließlich sichert die Hochstraße als Bundesfernstraße B 80 nicht nur Verkehrsbedürfnisse innerhalb der Stadt, sondern dient auch überregionalen Aufgaben des Bundes.

 

-Die Planung genereller effektiver, perspektivischer Verkehrsprojekte für die Stadt insgesamt ist erforderlich.

  

-Dazu gehört auch, dass die Saalequerungen an anderer Stelle  von der Stadt untersucht werden müssen, aber als Entlastung der Hochstraße nicht als Ersatz.

Vorbehaltslose Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den Bürgervereinen kann, wie sich schon oft gezeigt hat, zielführend sein. Dabei nehmen wir für uns in Anspruch, dass in unserem  BV maßgeblich bau- und verkehrstechnisches Wissen vorhanden ist, während  wir der BI eher künstlerischen, kulturellen und geschichtlichen Sachverstand zugestehen.

 

Positionierung des BV zu Thesen der BI

 

These 1: Theoretische Restlaufdauer

BV-Recherche:

Für Brückenbauwerke und Hochstraßen gibt es in den technischen Regelwerken eine normative Nutzungsdauer (NND), die 75 Jahre beträgt. Die NND ist eine rein wirtschaftliche Festlegung (Abschreibungsmodalität), die nichts über die echte/tatsächliche Nutzbarkeit eines Bauwerkes, bei Einhaltung der

vorgeschriebenen Unterhaltungen, aussagt.

Beispiele hierfür sind eine Spannbetonbrücke am Bahnhof von Zwickau mit 80 Jahren und die Frankeschen Stiftungen, welche (bei NND für Hochbauten von 100 Jahren) schon über Jahre 300 Jahre alt sind!    

Diese BI-These suggeriert, dass die Brücken in 34 Jahren abgerissen werden müssen bzw. infolge „Carbonatisierung“ auch früher (Vgl. dazu These 2), was jedoch sachlich falsch ist.

 

These 2: Carbonatisierung

Recherche des BV:

Auch nach einem Abgleich mit dem Tiefbauamt der Stadt Halle ist Karbonatisierung  kein neues Phänomen, sondern existiert seit es Stahlbeton gibt. Gefährdet sind vor allem sehr schlanke Bauwerke (also auch extrem schlanke Brücken) ohne Traglastreserven mit geringer Betonüberdeckung über der Bewehrung und mangelhafter Betongüte.

Das alles trifft für die Hochstraße nicht zu. Schäden aus dieser Problemstellung sind nicht erkennbar oder zu erwarten. Die hier notwendigen Sanierungsaufgaben  resultieren aus ganz normalen Unterhaltungsnotwendigkeiten:

 

-Betonkappen sind nach 30 Jahren zu sanieren, also seit 11 Jahren überfällig.

 

- Geländer sind nach Fortschreibung dafür gültiger Richtlinien heute mit "Seilfunktion zum Auffangen von Fahrzeugen " erforderlich.

 

-Isolierungserneuerungen sind folgerichtig bei Kappenlwechsel erforderlich.

 

-Das Auswechseln von einigen Gummitopflagern ist ein normaler Vorgang.

 

Die genannten Maßnahmen sind nach unserer Kenntnis auf nunmehr frühestens 2016 verschoben.

Es ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, dass bestehende Straßennetz mit seinen Brückenbauten in einem nutzungsfähigen Zustand zu erhalten. Das schließt in besonderem Maße die planungsmäßige Bauunterhaltung der Hochstraße ein, damit auch zukünftig die Nutzung der Hochstraße von ca. 40.000 bis 50.000 Fahrzeugen pro Tag sichergestellt ist,  und nicht  irgendwann eine Sperrung aus Sicherheitsgründen mit chaotischen Folgen nach sich zieht.

Schließlich: Nicht die „Brücke (Ostende) ist abgegangen“, sondern der Dammbereich muss saniert werden, das hat überhaupt nichts mit der Brückenkonstruktion zu tun.

 

These 3: Hochstraße stört und wird überflüssig weil mit Bevölkerungsschwund    der Verkehr stark nachlässt

BV-Recherche:

Die Belegung der Hochstraße liegt konstant zwischen 40.000 und 50.000 Fahrzeugen pro Tag. In den Hauptverkehrszeiten überwiegt der PKW-Verkehr den LKW-Verkehr bei weitem.

Der Gedanke, eine der beiden Brücken reiche für das Verkehrsaufkommen aus, und folglich könne die  Südbrücke abgerissen werden, ist nicht umsetzbar, weil die Konstruktion der Hochstraße nicht für Gegenverkehr ausgelegt ist, ganz abgesehen davon, dass das Verkehrsaufkommen schon fast jetzt 6 Spuren erfordert .                                                         

Darüber hinaus wäre der Querschnitt aufgrund der eintretenden Überbelastung im Notfall auch für Rettungsfahrzeuge wesentlich zu gering.

 

These 4:“ Ertüchtigung Mansfelder Straße“

BV-Recherche:

Die Mansfelder Straße ist, laut einem dem Allgemeinwohl dienenden Stadtratsbeschluss, in erster Linie dem öffentlichen Nahverkehr, den Fußgänger- und dem Radverkehr  vorbehalten.

                                                             

Selbst wenn eine Ertüchtigung des Rennbahnkreuzes und eine zweite Fahrbahn bis  Elisabethsaale möglich erscheinen, so ist von dort beginnend bis zur Klausbrücke nur eine gemeinsame Straßennutzung durch Autoverkehr und 6 Straßenbahnlinien möglich und das setzt sich nach der Klausbrücke fort.

 

Realistisches Denken schließt diese Option  wegen der zu erwartenden permanenten Verkehrstaus und Behinderung der Straßenbahnen aus, darüber hinaus haben umfangreiche verkehrliche Untersuchungen der Mansfelder Straße auch nur eine verschwindend geringe Entlastungswirkung von 1 bis 2% für die Hochstraße ergeben. Auch ein weiterer Saaleübergang im Bereich Pulverweiden ist infolge dessen Status als FFH-Gebiet nicht realisierbar, führte überdies zu Problemen bei der Weiterleitung des Verkehrs.

                                            

These 5. “Teilweise Verlagerung des Verkehrs auf die sogenannte Null-Ebene“ bei Verzicht auf die Hochstraße

BV-Recherche:

Die untere Ebene ist schon jetzt offensichtlich überlastet, insbesondere auch an dem Francke-Platz, der Verkehr auf den Brücken käme noch dazu und machte unten bis zu 10 Spuren insgesamt erforderlich. Die deutlich sichtbare Barriere (Brücken) würde durch eine kriechende Blechlawine entlang der Stiftungen ersetzt. Hinzu käme die durch Stau verursachten Abgasbelastungen. Ein Durchfahrtsverbot für LKW durch Halle ist eine reine Utopie mit unübersehbaren Folgen für die Wirtschaft der Stadt. 

                           

                                                                               

These 6: “Fertigstellung des letzten Abschnitts der A 143“

BV-Recherche

 Die A143 ist ebenfalls dringend notwendig, macht aber die Hochstraße nicht überflüssig. Sie würde  nur ca. 3% des Verkehrs von der Hochstraße übernehmen. Der große Vorteil der Erschließung des Autobahnringes um Halle liegt vielmehr in der Möglichkeit, aus allen Richtungen auf kurzem Wege tangential das Stadtgebiet zu erreichen und damit die Belastung des Straßenhauptnetzes insgesamt zu verringern, und dient vorrangig der Erschließung des Umfeldes von Halle.

 

These 7: „ …die Bewerbung der Frankeschen Stiftungen zu Halle … nachhaltig unterstützt werden.“

BV-Recherche:

Dieser Nachsatz des offenen Briefes impliziert: Die Hochstraße muss weg, wenn die Stiftungen als Weltkulturerbe anerkannt werden sollen. Herr Dr. Müller – Bahlke hat das aber inzwischen selbst öffentlich als nicht zutreffend bezeichnet. Das ist ganz einfach der Tatsache geschuldet, dass die Franckeschen Stiftungen und ihr schon vorhandenes Umfeld bei der Bewertung nichts miteinander zu tun haben.

Wir vertreten sogar die Meinung, dass dem Nebeneinander der über 300-jährigen Franckeschen Stiftungen und der noch nicht 50-jährigen Hochstraße ein ganz besonderer architektonischer und stadtgestalterischer  Reiz (kulturell-geschichtlicher Anspruch einerseits und ständige Gewährleistung der Funktion der Infrastruktur andererseits)  innewohnt. Wir sollten uns weniger Gedanken zum Abriss der Hochstraße machen, als viel mehr darüber, wie beide Bauwerke harmonisch zum Nutzen der Stadt und ihrer Bürger erhalten werden (z.B. Schallschutz, Sichtblenden, Straßenbelag usw.).  

                                             

Was ist also zu tun?

Individuellen Wünschen und Träumen sind keine Grenzen gesetzt, solange sie mit der Realität vereinbar sind, so wie es auch aus den Unterlagen der BI selbst hervorgeht, in denen  ein Professor Hartmut Topp zitiert wird. Wir möchten alle mit der Sache Befassten daran erinnern, dass sie eine gemeinsame Verantwortung gegenüber den Bürgern Halles haben und zwar allen Bürgern Halles. Zusammen mit der Stadtverwaltung sollten sich BI und BV gemeinsam auf machbare Verbesserungen der Städtischen Infrastruktur konzentrieren.

Mögen Einsicht und Vernunft obsiegen!

 

Weitere einschlägige Informationen sind zu finden in den Homepages des BV

 

                     www.stadtgestaltung-halle.de (Version bis Mai 2013)

 

 

Halle, den 12. März  2013

 

Redaktion: Dr. Wolfgang Kelling

Inhaltliche Sachverständige:

 Dipl.-Ing. Reiner Halle

 Dipl.-Ing. Wolfgang Heinrich, Baudezernent Halle i.R.

 Dipl.-Ing. Felmberg

 Dipl.-Ing. Frohberg

 Dipl.-Ing. Henze

 Dipl.-Ing. Wolfgang Meissner

 Dipl.-Ing. Heinz-Günter Ploß

 Dipl.-Ing. Volker Schobeß 

 Dr.-Ing.  Udo Schumann

 Dr. habil. Lutz Tischendorf


Eingestellt am 12.3.2013 von BV-Redaktion